Sie sahen sich in die Augen.

Er lächelt siegessicher und macht seinen nächsten Zug.

Sie schluckte über das Wissen, dass sie in wenigen Zügen matt gesetzt werden könnte – wenn sie es zuließ. Ebenso könnte sie ihn in zwei Zügen schlagen.

Sie war nicht grundlos die Beste im Schachclub. Er dagegen war der Schwarm aller Studentinnen – gutaussehend, intelligent und angeblich der Erbe eines Unternehmens. Nur leider ein miserabler Schachspieler. 

Es wäre peinlich, gegen ihn zu verlieren.

Warum sollte sie das auch tun? Sie hatte noch nie absichtlich verloren.

Allerdings ging es hier nicht nur darum, zu beweisen, dass auch die kleine Kunststudentin aus dem Plattenbau etwas drauf hatte.

Er hatte einen besonderen Preis verlangt: sie spielten um einen Kuss. Wenn er gewinnen sollte, durfte er sie küssen. Wenn sie gewann, durfte er es nicht.

Natürlich war es für ihn nur ein Spiel. 

Sie machte einen Zug, „Schach!“

Dabei hatte sie seit einem Jahr heimlich überlegt, wie sie seine Aufmerksamkeit erregen konnte. Heimlich wollte sie ihn küssen. 

Er sah auf das schwarz-weiße Brett und dachte angestrengt nach.

Im Grunde hatte er bereits verloren. Er konnte das Unvermeidliche nur noch aufschieben, nicht abwenden.

Doch es fühlte sich nicht wie ein Sieg an, obwohl sie ihn geschlagen hatte. 

„Man könnte meinen, du willst mich gewinnen lassen“, er grinste und bewegte seine Königin, „Schach.“ 

Fassungslos starrte sie auf das Brett. Was sie auch tat, sie konnte ihren König nicht mehr retten. 

Wie hatte sie sich nur so irren können?