Auszug aus einer früheren Version von „Sing my Lovesong“
Sehnsuchtsvoll sah sie auf die Bühne. Sie würde so gerne dort stehen, vor vollem Saal.
Manchmal wünschte sie sich, die Erstbesetzung wäre einen Abend krank. Vielleicht Kopfschmerzen – etwas, das schnell verheilte.
Die Kulissen wurden bereits für die erste Szene aufgebaut. Der Star des Abends war immer noch nicht da, dabei war es längst Zeit für Kostüm und Maske.
„Anja, du springst für Maria ein“, verkündete der Regisseur genervt und sie eilte hinter die Bühne.
Hoffentlich hatten ihre heimlichen Wünsche Maria nicht verflucht…
Nervös sah sie auf die Uhr, während die Zuschauer ihre Plätze im Saal einnahmen. Maria war oft spät dran, aber nie zu spät. Sie hätte nur noch zehn Minuten, um sich umzuziehen und zu schminken…
Anjas Finger begannen, zu zittern. War sie wirklich bereit, Marias Platz einzunehmen?
Heimliche Wünsche waren doch etwas anderes als deren Umsetzung in die Tat. Konnte sie überhaupt alle Texte? Die meisten hatte sie ewig nicht mehr geprobt.
Der Regisseur trat neben sie und klopfte ihr aufbauend auf die Schulter.
„Das ist deine Chance. Spiel, als wäre es die Rolle deines Lebens!“
Der hatte gut reden… Hatte er eigentlich jemals selbst vor so vielen Fremden gesungen?
Der Vorhang hob sich lautlos und die Musik drang aus dem Orchestergraben.
Zittrig und schwerfällig trat sie hinaus auf die Bühne.
In ihren Gedanken hatte sie jede Liedzeile vor Augen und spürte die Melodie wie ihren Herzschlag. Sie öffnete den Mund und bewegte die Lippen, doch es wollte kein Ton darüber kommen.
Wie konnte sie nur so versagen?